



Eine Kirschblütenwolke haben die ersten warmen und sonnigen Tage nach dem Winter uns geschenkt, eine herrliche Frühjahrsbelebung für Natur und Mensch. Nur, dass mein Herz dieses Jahr nicht so recht in dieser Freude aufgehen kann. Zu gross der Kontrast der in der Sonne strahlenden Blütenschönheit zu dem tiefen Leid der Menschen im grausamen Krieg, den Russland in die Ukraine getragen hat.
Die Jahrzehnte unter unserer warmen europäischen Friedensglocke sind endgültig vorbei, waren wohl illusorisch. Mit diktatorischen, manipulatorischen Regimen gibt es kein Auf-Dauer-In-Frieden-leben, das ist die Lehre, die wir endgültig ziehen müssen. Kein Grund zur Trauer, aber zu nüchternem Realismus.
Wir müssen uns wieder dessen bewusst werden und damit leben, dass Krieg und damit ein gewaltsamer, frühzeitiger Tod immer schon ein Teil dieser Welt war, wie alte Texte, wie die Bhagavad Gita, lehren und der japanische Haiku-Dichter Yosu Buson es in seinem symbolischen Gedicht über Kirschblüten, Leben und Tod so konzentriert und einfach auf den Punkt gebracht hat.
Wind blows
they scatter and it dies
fallen petals
Hallo Federflüsterin!
風に散り/ 風吹きたえて / 落花かな
Kaze-ni tiri / kaze huki-tayete / rakka kana
Der Wind zerstreut sie / Windes Blasen es hört auf / gefallene Blüten
Das „sterben“ im Busons Vers sehe ich lieber als „aufhören zu wehen oder blasen“. Tayu bedeutet zwar auch sterben, aber auch dass eine Handlung (in der Mitte) aufhört. Das Wort „Tod“ oder „sterben“ wird in haikai vermieden (daher sollte die Übersetzung das auch tun), wie in Japan überhaupt. Wie bei uns die Zahl 13 vermieden wird, vermeidet man dort die chinesische Lesung von 4, „shi“, und sagt lieber „yo(n)“ weil „shi“ gleich klingt wie „Tod“. Das „kana“ drückt Bedauern aus, eine japanische Verkäuferin kann zu dir sagen: „das haben wir leider nicht“ und verwendet dann „kana“.
Danke, ranranshi, für diese, der Originalfassung inhaltlich folgenden Übersetzung. Dafür muss man sich wirklich mit dem kulturell-religiösen Zusammenhang sehr genau auseinandergesetzt haben!
Besonders schön finde ich auch, dass Du uns das Gedicht in japanischer Schrift und Lautdarstellung hier vorstellst!Merci!
Ich wollte mit den folgenden Zeilen von Li Shangyin eigentlich zuerst antworten, aber das Reimen gelang nicht so gut. Aber der lange Regen von heute gab genug Freizeit. Also:
Die japanischen Dichter, auch die Haijin, haben die alte Dichtkunst Chinas gründlich studiert. Ein Beispiel das zum Thema passt:
Li Shangyin, China, * um 813; † 858
Die Laube mein / der Gast verlassen hat
Im Gärtchen da / umher fliegt Blütenflor
Und hier und dort / liegt er auf Gartenweg
Von Ferne tritt / das Abendlicht hervor
Ich traurig bin / zu fegen wag’ ich nicht
Ich häng‘ daran / gäb‘s doch ein Rückgeleit!
Mein treues Herz / wie Frühling neigt‘s zum End
Es bleibt mir nur / ein tränennasses Kleid
高閣客竟去
小園花亂飛
參差連曲陌
迢遞送斜暉
腸斷未忍掃
眼穿仍欲歸
芳心向春盡
所得是沾衣
The Cherry blossoms came to Czech a little over a week ago, and they immediately transformed the mood and feeling of the day ~ but as you say it is only a superficial feel due to the war Russia is forcing on Ukraine and the world. The haiku you present here by poet Yosu Buson is something special. Incredible symbolism with something so beautiful and fragile (cherry blossoms and life). Wishing you well.