Wo die Kraniche tanzen

Copyright (c) federfluesterin

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Unter den dichten Hochnebel dringt kaum die Sonne. Mich friert in der feuchten Kälte und meine Nase ist schon rot gefroren, als ich die letzten Blätter zusammenharke. Da dringt von weit oben an mein Ohr ein rhythmisches Rufen. Langsam kommt es näher und näher.

Als ich mich schließlich aufrichte, höre ich sie schon über mir: Kraniche, laut einander zurufend. Den Kopf im Nacken versuche ich, sie im Nebel auszumachen. Schließlich entdecke ich sie, schon weit weg, ein langer, dünner pfeilartiger Zug dieser großen Vögel, auf die Entfernung eine dünne Perlenschnur am Himmel. Wenn sie gen Süden ziehen im Spätherbst, dann ist der Winter ihnen ganz dicht auf den Fersen.

Ich fröstele. Der Wunsch packt mich, mit zu fliegen in die Wärme, in die Leichtigkeit des Süden. Ach, wenn das jetzt nur möglich wäre!

Dorthin, wo sie alle tanzen werden, die Kraniche !

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Und wißt Ihr, es ist möglich, auf diese Reise zu gehen:

Copyright (c) Hans/pixabay.com

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»Eines Morgens wurden die Gänse, die draußen auf dem Eis des Vombsee standen und schliefen, durch laute Rufe in der Luft sehr früh geweckt.“Trirop! Trirop!“ erklang es. „Trianut, der Kranich, läßt die Wildgans Akka und ihre Schar grüßen! Morgen findet der große Kranichtanz auf dem Kullaberg statt!“

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Akka streckte schnell den Kopf in die Höhe und antwortete: „Schönen Dank und Gruß! Schönen Dank und Gruß!“ Darauf flogen die Kraniche weiter, aber die Wildgänse hörten noch lange, wie sie über jedem Feld und über jedem Waldhügel riefen: „Trianut läßt grüßen! Morgen findet der große Kranichtanz auf dem Kullaberg statt!“

Die Wildgänse freuten sich über diese Botschaft. „Du hast Glück,“ sagten sie zu dem weißen Gänserich, „daß du bei dem großen Kranichtanz anwesend sein darfst.“

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„Ist es denn etwas so Merkwürdiges, die Kraniche tanzen zu sehen? „fragte der Gänserich.

„Es ist etwas, was du dir nie träumen lassen könntest,“ antworteten die Wildgänse.“«

Ich würde Euch gerne weiterbegleiten auf Eurer Reise, die Reiselänge von einem ganzen Buch würde jedoch diesen Blog komplett sprengen; aber wer will, kann sie (kostenlos !) hier fortsetzen, in der Geschichte von der…

 „Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“  

von Selma Lagerlöf, Ersterscheinung in Schwedisch 1906/1907; Übersetzung aus dem Schwedischen von Pauline Klaiber, Albert Langen, München 1920

Ich wünsche Euch eine von Wärme und Gemütlichkeit begleitete, spannende Lesereise!

Weitere, farbenfrohe Herbstimpressionen findet Ihr auf diesem Blog hier:

Diesen Beitrag habe ich noch einmal nach oben geholt, weil er zum Einen zum heutigen Tag perfekt passt, zum Anderen zur Blogparade  NOVEMBERGLÜCK, die vom zwetschgenmann angeregt worden ist. Gefunden habe ich den Hinweis auf dem schönen Blog WattundMeer.

 

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4 Antworten zu Wo die Kraniche tanzen

  1. ranranshi schreibt:

    Im 11. Jahrhundert schrieb der Dichter Su Shi über Kraniche folgende Zeilen, übersetzt vom Sinologen Herbert Giles (1845-1935). Ich finde die Bewegung des Wegschickens und Zurückrufens sehr schön. Es stellt das literarische Ich in der Mitte, aber ohne dieses Ich würde das Kommen und Gehen der Kraniche genauso stattfinden. Sie würden auch nicht bereits nach einer Woche zurückkehren, bloß weil der Dichter sie ruft, so dass die Leere, die Zeit ohne Kraniche, etwa ein halbes Jahr, die Mitte des Gedichts ist.

    The Song of the Cranes

    Away! away! my birds, fly westwards now,
    To wheel on high and gaze on all below;
    To swoop together, pinions closed, to earth;
    To soar aloft once more among the clouds;
    To wander all day long in sedgy vale*;
    To gather duckweed in the stony marsh.

    Come back! come back! beneath the lengthening shades,
    Your serge**-clad master stands, guitar*** in hand.
    ‚Tis he that feeds you from his slender store:
    Come back! come back! nor linger in the west.
    —————————————————————–
    *sedgy vale, ein Tal mit Riedgras; **serge, Köperstoff. also nicht Seide; ***guitar, eine Laute

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  2. Lutz Prauser schreibt:

    Vielen Dank für den Beitrag für meine Blogparade – Novembernebel im Bergischen Land, das kenne ich gut. Als gebürtiger Hagener. Es muss ja nicht immer „Nordsee“ sein 🙂

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    • federfluesterin schreibt:

      Oh, ein Ureinwohner! 😉
      Ich gebe zu, dieses hügelige Waldland hat gerade im Herbst seinen eigenen Charme, nicht umsonst wohne ich sehr gerne hier. Nur, meine absolute Liebe gilt seit Kindertagen den Nordmeeren. Und ich fürchte, wenn sie es könnten, würde halb NRW sich mit fliegenden Fahnen an Nord- und Ostsee niederlassen. 🙂

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