Aus Sicht der 68er – Generation war der Sauerländische Gebirgsverein die Inkarnation der Rückwärtsgewandtheit und des kleinbürgerlichen Miefs. Alleine die Vorstellung, mit Wanderschuhen an den Füssen, ein fröhlich Volkslied auf den Lippen und frohen Mutes durch die sauerländischen Provinzhügel zu stiefeln, lockte ein süffisant-verächtliches Lachen bei ihnen hervor. Und was soll ich sagen, auch ich konnte mir einen Urlaub im Sauerland nur schwerlich vorstellen, alleine der Name schon – sicherlich hat er eigentlich eine ganz andere Bedeutung – klang so wenig attraktiv: ein saures Land. Ich fuhr weitaus lieber an die sonnigen Strände Europas oder in die Alpen – wo es allerdings, ehrlichkeitshalber gesagt, nicht weniger kleinbürgerlich zuging…
Wie dem auch sei, neulich verschlug es mich dann tatsächlich einmal direkt ins Sauerland, und zwar jenseits der Autobahn A45, also ins tiiiefe Sauerland. Zunächst auf der Bundesstraße, dann auf kleinen Landstraßen durchquerte ich mit langsam, aber stetig zunehmender Neugier und Freude die Landschaft.
Weite, sonnige Täler zwischen den bewaldeten Bergen, oft ohne jegliche Bebauung, wenn nicht nutztier-, dann doch menschenleer,
wechselten sich ab mit Städtchen und Dörfern mit liebevoll gepflegten Häusern,
auf die nur ein Wort so richtig passt:
Sie sind schmuck!
Warum aber sind so viele der Häuser mit schwarzem Schiefer gedeckt?
Nachdem im Mittelalter die Städte aus eng beieinanderstehenden Häusern mit Holzdachschindeln oder Strohdächern regelmäßig wie Zunder heruntergebrannt waren, weil das Feuer rasend schnell von einem aufs andere Dach überspringen konnte, entdeckte man den heimischen Schiefer als unbrennbares, leicht in flachen Schichten aufspaltbares Dachdeckmaterial – und so entstand die schwarzsilberne Schieferdachoptik, die ich allerorten sah. Sie ist also eigentlich eine Brandschutzmaßnahme!
Wahrscheinlich ist diese technische Innovation der eigentliche Grund, weshalb die Fachwerk-Häuser, die Anfang des 17. und 18. Jahrhunderts gebaut wurden, überhaupt stehengeblieben sind.
Die damaligen Erbauer waren sich aber des gefährlichen Brandrisikos weiterhin sehr bewusst, wie eine der Inschriften zeigt:
„Dis Haus Stehet in Gottes Hand
Der bewahr es fur Wasser und fur Brand.
Sein Segen stetig darinnen Sey
Und daß es alles unglück frey.“
Hier und da entlang meines Weges im Sauerland fand ich die eine oder andere gut erhaltene Burg, Schloss oder Kloster,
mit einem schön angelegten Schlosshof, einem gepflegten Schlosspark
und alten Enten- und Gänse-, sowie Karpfenteichen oder einer Forellenzucht.
Die letzteren beiden sind dem Christentum geschuldet. Es waren nämlich die Mönche, die die Fischzucht ins Sauerland brachten.
Ente oder Gans mag zwar besser schmecken, aber, aber der Freitag und dann auch noch die Fastenzeit….!
Wie sonst hätten vor der Zeit der Kühltransporter und Eisschränke die Gläubigen, vor allem die Mönche, fern der Küste, jeden Freitag, geschweige denn wochenlang, für alle genießbaren Fisch auf den Teller bringen können?
Außerdem konnte das Federvieh so weitaus ruhiger schlafen. Was es noch heute tut, im Schlosspark von Bad Berleburg.
Mein Kaffeedurst führte mich in Cafés, in denen die Torten und Kuchen kleine Kunstwerke sind, und die Besitzer eine Atmosphäre schaffen, dass der Besucher sich gut aufgenommen und wohl fühlt. Wie im Nostalgie-Café in Bad Berleburg mit den schönen, alten Kupfer-Teekannen oder wie im Rosengarten-Café in Olsberg, das mich überdies mit einem selten aromatischen, herrlich erfrischenden Apfel-Minz-Getränk überraschte – kein Wunder, der Apfelsaft kam aus eigener Pressung.
Selbstgemachte Rosentorte soll es dort geben, wenn zwischen Juni und Juli die mittelgebirgserprobten Rosen der eigenen Rosenzucht aufblühen.
Nein, Überkandideltes jeglicher Art hat so gar keinen Platz im Sauerland , dafür umso mehr liebevolle Bodenständigkeit.
Vergeßt also die Vorurteile der 68er!
Und begebt Euch auf Eure eigene Entdeckungsreise – im Sauerland!
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